Es ist schon zu einer guten Tradition geworden, dass die Mitglieder der miteinander verwandten und größten jüdischen Gemeinden – Leipzig, Dresden und Chemnitz – sich gegenseitig einladen.
In diesem Jahr fand das erste dieser Treffen unter der Bezeichnung „Sommerfest“ am 19. August 2018 zum Ende des sehr heißen Sommers statt!
Und die Begegnung war wirklich sehr warm; die Mitglieder der Dresdner Gemeinde hatten ihr ganzes Herz daran gesetzt, ein fröhliches, warmes und gutes Fest zu veranstalten. Im Kulturzentrum der Dresdner Gemeinde waren Tische mit einer Menge exotischer Speisen gedeckt. Auf der improvisierten Bühne spielte ein Jazz-Ensemble, das den Tanz der professionellen Tschetschotka begleitete. Wer wollte, konnte auf der Terrasse des Kulturzentrums kühles Bier ohne Ende trinken, oder er konnte sich am Panorama des wunderbaren Dresden erfreuen, welches nach dem Krieg und den amerikanischen Bombenteppichen vollständig wiedererstanden war.
Eine der einprägsamsten und beeindruckendsten Veranstaltungen war die Besichtigung der neuen Synagoge Dresdens, geführt von der überaus kompetenten Sozialarbeiterin der Dresdner Gemeinde, Elena Tanaeva. Bis 1938 hatte Dresden eine hervorragende Synagoge besessen, entworfen von Gottfried Semper und erbaut von 1838 bis 1840. Besser bekannt ist Semper als Schöpfer des Dresdner Opernhauses. 1938, in der „Kristallnacht“, wurde die Synagoge zerstört. Fast 100 Jahre nach der Eröffnung wurde sie von Mitgliedern von SA und SS in der Nacht des 9. November vollständig niedergebrannt. Einige Tage nach dem Brand erhielt die Jüdische Kongregation eine Rechnung über die Beseitigung der Ruine. Einzig der von Semper entworfene gewaltige wunderschöne Davidstern war von der Synagoge übriggeblieben. Dieser Davidstern wurde von einem ganz gewöhnlichen Deutschen gerettet. Der Feuerwehrmann Alfred Neugebauer versteckte ihn unter seiner Kleidung, trug ihn nach Hause, bewahrte ihn dort die ganze Zeit auf und gab ihn 1949 an die Kongregation zurück. Heute hängt dieser Davidstern am Portal über dem Eingang in die neue Dresdner Synagoge. 63 Jahre nach der Zerstörung, im November 2001, wurde unweit der Stelle, an der die alte abgebrannt war, feierlich die neue Dresdner Synagoge geweiht. Es ist der erste Bau einer Synagoge auf dem Territorium der ehemaligen DDR nach der Vereinigung Deutschlands 1989 und zwar keine Rekonstruktion sondern ein Neubau. Auf die Wiedererrichtung der alten Synagoge hatte man verzichtet, weil niemand von denen, die die alte Synagoge von Semper gekannt hatten, übriggeblieben war.
Die neue Dresdner Synagoge entstand nach dem Projekt der Saarbrücker Architekten Wandel, Lorch und Hirsch. Das Architektenbüro Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch hatte einen fensterlosen Kubus ent- worfen, gegründet auf die Form der ersten Tempel der Israeliten. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich um eines der modernsten Gebäude der Stadt handelt, gibt es in der architektonischen Lösung der Neuen Synagoge viele Symbolismen. Die kubische Form erinnert an den Ersten Tempel der Israeliten. Als Material wurde dekorativer Formstein mit Sandsteincharakter analog zur Klagemauer ausgewählt. Im Innenraum befinden sich der Toraschrank, einige Emporen und Sitzreihen, das Vorlesepult und eine Zeltüberspannung, die ein Symbol des Ersten Tempels ist und damit sowohl das Grundlegende der jüdischen Idee als auch die Flexibilität dieser Religion darstellen soll. Genau genommen sind es zwei Gebäude aus gelbem Sandstein und Beton, zwischen denen sich, umgeben von einer Mauer aus Glassteinen, ein geräumiger Innenhof erstreckt. In dem sich an die Synagoge anschließenden Gemeindezentrum befinden sich große Räumlichkeiten für nichtreligiöse Diskussionen, Konzerte und Begegnungen für, wie man so schön sagt, „Juden und Nichtjuden“. Die Ausgaben für den Bau des neuen Gebäudes wurden von der Landesregierung Sachsen und der Stadt Dresden getragen (rund 4 Millionen Euro), dazu kamen noch zwei Millionen private Spenden. Dieses erstaunliche moderne Gebäude weckt viele Emotionen und Erinnerungen an die Vergangenheit, aufgehoben in der Gegenwart. Nicht umsonst hat diese Einrichtung schon so viele Auszeichnungen erhalten.
Den inneren Bereich des Tempels kann man nur im Rahmen einer Exkursion besichtigen. Darum waren alle Gäste dieser Veranstaltung überaus zufrieden, umso mehr, als die Führung mit Elena Tanaeva sehr locker und reich an interessanten historischen Details war und gro- ßes Vergnügen bereitete.
Hoffen wir, dass es bei dem Treffen mit den Dresdner Gästen, das zu Sukkot in Leipzig stattfinden soll, genauso viel Interessantes über die Geschichte der Juden in Leipzig zu zeigen und zu erzählen gibt, und dass wir ihnen die wunderschönen Leipziger Plätze zeigen werden, an denen wir über die Lebensgeschichte Leipziger Juden erzählen können. Und zu Chanukka erwartet uns die jüdische Gemeinde Chemnitz, die bestimmt auch dafür sorgen wird, dass sich die befreundeten Gemeinden Dresden und Leipzig bei ihr wie zu Hause fühlen und außer dem Vergnügen einer freundlicher Aufnahme auch viele interessante Informationen bekommen werden. Den jüdischen Gemeinden Sachsens wünschen wir feste Freundschaft, weiteres Aufblühen und Erfolg.
Alexander Meschmann